Kreditwirtschaftlich wichtige Vorhaben der EU (2021)
E. STEUERN II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN BEWERTUNG Das Ziel, Steuerflucht und missbräuchliche Steuerge - staltungen zu bekämpfen, ist unterstützenswert. Die Anzeigepflicht für Steuergestaltungen ist aber zu weit ausgestaltet und ist in dieser Form abzulehnen. Sie führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit und zu neuer Bürokratie. Es fehlen insbesondere eindeutige Defini - tionen der zumeldenden Sachverhalte. Der Rechtsakt hat unmittelbare Bedeutung für die Tätigkeit der Be - ratung auch von Kreditinstituten an ihre Kunden. Da es sich um bußgeldbewehrte Vorschriften handelt, muss für den Anzeigepflichtigen unmittelbar festste - hen, welche Prüfungen er vorzunehmen hat. Dieses rechtsstaatliche Grunderfordernis leistet die Richtlinie erkennbar nicht. Standardgeschäfte der Kreditinstitute, wie etwa der Zahlungsverkehr, das Depotgeschäft sowie damit einhergehende Wertpapiergeschäfte, sollten nicht unter die Meldetatbestände fallen. Das Gleiche muss für den gesamten Bereich des Online-Bankings sowie für andere Geschäfte gelten, mit denen keine Beratung verbunden ist. Ansonsten besteht die Gefahr, dass massenhaft unbedenkliche Fälle erfasst werden und es zu einer Flut von „irrelevanten“ Meldungen kommt, die für den Fiskus nicht auswertbar sind. Rechtspolitisch muss das Vorhaben kritisch gesehen werden. Auchwenn die EU-Kommission die verpflich tende Offenlegung für „aggressive Steuerplanungsmo - delle“ intendiert, die für Steuermissbrauch genutzt werden, so kann sich die Anzeigepflicht bereits aus rechtsstaatlichen Gründen nur auf solche Modelle beziehen, die als legale Steuervermeidung zu bewer - ten sind. Tatsächlich das Steueraufkommen besonders schädigende Steuermodelle sind aber regelmäßig rechtswidrig und bei entsprechendem Vorsatz als strafbare Steuerhinterziehung zu bewerten. Eine Geldbuße für den Steuerhinterzieher aufgrund der Verletzung der Anzeigepflicht dürfte nicht zusätzlich zur Strafe wegen Steuerhinterziehung verhängt wer - den. Die Richtlinie läuft daher insoweit ins Leere. Es werden zudem Befürchtungen geäußert, dass das Vertrauen in die beratenden freien Berufe (Rechtsan - wälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) beeinträchtigt werden könnte, es zumindest zu einer Belastung des Mandatsverhältnisses kommen wird. Die Anzeigepflicht von grenzüberschreitenden Steu - ergestaltungen eröffnet der Finanzverwaltung einen zeitlichen Vorteil bei der Erfassung von unerwünsch - ten Gestaltungen und kann ein frühzeitiges Gegen - steuern des Gesetzgebers ermöglichen und so das Steuersubstrat schützen. Fraglich ist aber, ob nicht andere Instrumente wie etwa die zeitnahe Betriebs - prüfung vergleichbare Effekte haben, aber das milde - re Mittel darstellen und erhebliche Bürokratie vermei - den können. REFERENZ Richtlinie (EU) 2018/822 vom 25. Mai 2018, ABl. L 139/1 vom 5. Juni 2018 174 E
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