Kreditwirtschaftlich wichtige Vorhaben der EU (2021)
B. KAPITALMARKT- UND WERTPAPIERRECHT I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT Die Rechtsrahmen über Märkte für Finanzinstrumente gehört zu den „Grundpfeilern“ des europäischen Kapital - marktrechts. Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstru - mente (Markets for Financial Instruments Directive, MiFID) löste die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie aus dem Jahre 1993 ab. Mit MiFID I sollte 2004 den tiefgreifenden Veränderungen des Kapitalmarkts und der Aufsichtsstruk - turen Rechnung getragen werden, die sich aus der Wei - terentwicklung undDiversifizierung der Finanzinstrumen - te, Handelssysteme und der gestiegenen Anforderungen an den Anlegerschutz ergeben hatten. Für alle Marktteil - nehmer sollte ein hohes Maß an Transparenz, Effizienz und Liquidität der europäischen Kapitalmärkte auf der Grundlage eines „Europäischen Passes“ für Wertpapier - dienstleistungen geschaffenwerden. Erklärtes Ziel bei der Überarbeitung der MiFID I war es, die Finanzkrise von 2008 noch in frischer Erinnerung, die Finanzmärkte effizienter, widerstandsfähiger und transparenter zu machen und den Anlegerschutz zu stärken. Zudem sollten die Auf - sichtsbefugnisse der Regulierungsbehörden ausgeweitet und klare Verfahrensregeln für alle Handelstätigkeiten vorgegebenwerden. Dies führte 2014 zur Verabschiedung von MiFID II und der dazugehörigen, MiFIR genannten Verordnung, die seit 2018 Anwendung finden. Die großen Themenblöcke dieses Rechtsrahmens aus MiFID II undMiFIR sind Anlegerschutz, Marktinfrastruktur, Handelstransparenz undMeldewesen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen. Im Rahmen des Anlegerschutzes müssen Wertpapierfir - men grundsätzlich redlich und professionell imbestmög - lichen Interesse ihrer Kunden handeln, dabei müssen alle Informationen, einschließlich solcher des Marketings, redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Dazu gehört eine Aufklärung des Kunden, die seinem Kenntnisstand und damit Schutzbedürfnis entspricht. Bei Aktien, die an einemgeregeltenMarkt zumHandel zugelassen sind, und bei anderen nicht komplexen Finanzinstrumenten kön - nen Ausführungsgeschäfte auch ohne Einholung der sonst notwendigen umfassenden Kundenangaben durch - geführt werden. Der Privatkunde genießt den größten Schutz, allerdings hat MiFID II das Schutzniveau allgemein erhöht, sodass derzeit selbst geeignete Gegenparteien in den Genuss umfassender Informationsrechte kommen. Zum Prozess der Produktgestaltung und -überwachung (Product Governance Prozess, der Herstellung und Ver - trieb umfasst) gibt es explizite Vorgaben. Diese beinhalten das Erfordernis, einen Zielmarkt an Endkunden festzule - gen und genauer zu beschreiben. Die Vorgaben für Anlageberatung und Portfolioverwal - tung umfassen u. a. Informationen, die den Kunden vor und nach Auftragserteilung gegebenwerdenmüssen, die Prüfung von Geeignetheit oder Angemessenheit eines Produkts oder einer Dienstleistung für einen Kunden hinsichtlich Anlagezielen und Risikoprofil sowie die best - mögliche Orderausführung. Die Möglichkeit, dass Wert - papierfirmen Anreize von Drittparteien annehmen, ist inzwischen stark eingeschränkt und MiFID II versucht, Honorarberatung gegenüber der Provisionsberatung zu stärken. Querverkäufe bzw. Bündelungspraktiken unter - fallen besonderen Informationspflichten. Wertpapierfirmen sind verpflichtet, alle angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, umdie bestmögliche Orderaus - führung für ihre Kunden zu erreichen. Diese definiert sich unter Berücksichtigung von Preis, Kosten, Schnelligkeit, Ausführungswahrscheinlichkeit, Auftragsvolumen, Art der Order und aller sonstigen für die Ausführung relevanten Aspekte. Liegt eine Weisung des Kunden vor, so ist die Order entsprechend auszuführen. Erweitert wurden die rechtlichen Vorgaben der MiFID I zur Ausführung von Kundenaufträgen um bestimmte Informationspflichten. So müssen Ausführungsplätze – hierunter fallen auch MTF, OTF, Market Maker und sog. Liquiditätsgeber – stan - dardisierte Daten über die erfolgten Ausführungen veröf - fentlichen. Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihrer - seits müssen auf ihren Internetseiten ebenfalls eigene Daten über die Qualität der Ausführungen und die jewei - ligen Ausführungsplätze veröffentlichen, an denen Kun - denaufträge ausgeführt wurden. Wertpapierfirmen aus Drittländern können bei ESMA eine Zulassung für die Erbringung von Dienstleistungen in der EU beantragen, sofern die Kommission die Gleichwertig - keit der relevanten Rechtsordnung des jeweiligen Dritt - lands festgestellt hat (Drittlands-Pass). Als Marktinfrastrukturen im Bereich des Handels gibt es geregelte Märkte, multilaterale (MTF) und organisierte Handelssysteme (OTF). Die Kategorie der OTFwurde durch MiFID II neu eingeführt, umtechnologische Entwicklungen zu berücksichtigen und jegliche Arten vonHandelsplätzen zu regulieren. Im Gegensatz zu geregelten Märkten und 67 B
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