Kreditwirtschaftlich wichtige Vorhaben der EU (2021)
B. KAPITALMARKT- UND WERTPAPIERRECHT I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT gige Leerverkäufe gleichfalls möglich bleiben sollen. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag hatte untertägige Leerverkäufe noch ausgeschlossen. Eine Kennzeich - nungspflicht für Leerverkäufe hat in den Verordnungstext ebenfalls keinen Eingang gefunden. Market Maker und Primärmarkttätigkeiten sind von den Transparenzanfor - derungen und der Beschränkung ungedeckter Leerver - käufe ausgenommen. Für den Fall, dass der Leerverkäufer die Aktien für die Abwicklung des Geschäfts innerhalb einer bestimmten Frist nicht liefern kann, ist nur die zentrale Gegenpartei angehalten, ein Eindeckungsverfahren vorzusehen, um die Abwicklung zu ermöglichen. Die entsprechende Verpflichtung besteht dabei innerhalb von vier Arbeits - tagen ab Fälligkeit der Abwicklung. Bei nachteiligen Entwicklungen, die eine ernste Bedro - hung für Marktstabilität und -vertrauen darstellen, sowie im Falle eines signifikanten Kursverfalls eines Finanzinst - ruments innerhalb eines einzigen Handelstages können die nationalen Aufsichtsbehörden zeitweilige Verbote von Leerverkäufen erlassen oder auf andere Weise Transakti - onen mit diesem Finanzinstrument einschränken. Bis zuletzt war besonders die Behandlung von ungedeck - ten Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel umstritten. Die europäischen Gesetzgeber haben durch umfassende Auflagen nunmehr ein De-facto-Verbot ge - schaffen. Nationale Aufsichtsbehörden haben allerdings die Möglichkeit, das Verbot vorübergehend auszusetzen, wenn eine Austrocknung der Liquidität der Anleihemärk - te droht und den Mitgliedstaaten die Aufnahme neuer Schulden erschwert. Eine Austrocknungmuss mit objek - tiven Elementen wie zumBeispiel der Höhe von Zinsauf - schlägen auf Staatsanleihen oder der Ausweitung der Zins- oder Credit-Default-Swaps-Spreads belegt werden. Die vorübergehende Aussetzung muss bei ESMA notifi - ziert werden. Am16. März 2020 hat ESMA von ihremEingriffsrecht nach Art. 28 der Leerverkaufsverordnung Gebrauch gemacht und beschlossen, dass natürliche oder juristische Perso - nen, die Netto-Leerverkaufspositionen in Bezug auf das ausgegebene Aktienkapital eines Unternehmens halten, dessen Aktien zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, den zuständigen Behörden jede Position melden müssen, die 0,1 % oder unterschreitet. Damit sollten die zuständigen nationalen Behörden und die ESMA angesichts der durch COVID-19 verursachten, außergewöhnlichen Entwicklungen auf den Finanzmärk - ten in die Lage versetzt werden, die von Marktteilneh - mern eingegangenen Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien, die zumHandel an einemgeregelten Markt zuge - lassen sind, zu überwachen. Diese Verpflichtung wurde am 10. Juni 2020 um weitere drei Monate verlängert. Am 13. Mai 2021 empfahl ESMA der Kommission, den Meldeschwellenwert von 0,1% für Netto-Leerverkaufs - positionen in Aktien eines Unternehmens dauerhaft beizubehalten (ESMA70-156-4262). Zwischen dem 15. Juli und 12. August 2021 konsultierte die Kommission daraufhin eine delegierte Verordnung, die die Leerver - kaufsverordnung entsprechend anpassen soll (Ares(2021)4579295). Die Leerverkaufsverordnung wird durch technische Re - gulierungs- und Durchführungsstandards sowie Leitlini - en und Q&A der ESMA ergänzt. BEWERTUNG Die anlässlich der COVID-19-Krise gefassten Beschlüs - se, dieMeldeschwelle von Netto-Leerverkaufspositio - nen in Bezug auf das ausgegebene Aktienkapital eines Unternehmens, dessen Aktien zum Handel an einem geregeltenMarkt zugelassen sind, von 0,2%auf 0,1% abzusenken, haben gezeigt, dass es in solchen Aus - nahmefällen wichtig ist, dass ESMA entsprechende Maßnahmen zur Verfügung stehen, umdie ordnungs - gemäße Funktionsweise und Integrität der Finanz - märkte bzw. die Stabilität des Finanzsystems EU-weit zu stützen. REFERENZ Verordnung (EU) 236/2012 vom 14. März 2012 (konsoli - dierte Fassung) 75 B
RkJQdWJsaXNoZXIy ODM4MTc=